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Ein offener Brief – Reitschulbetriebe werden sterben

Der Nachwuchs stirbt aus – ein offener Brief an die Reiterliche Vereinigung

Sehr geehrte Damen und Herren,
immer wieder ist zu lesen, wie wichtig Schulbetriebe sind. Wir sind der Motor der den Sport am Leben erhält. Wir führen die kleinen an das Thema Pferd heran und zeigen ihnen den Weg in den großen, vielfältigen Reitsport.
Seit 2004 spürt die FN den Mitgliederschwund. Der Nachwuchs scheint auszugehen und der Nachschub kommt irgendwie nicht.
Von den Reit- und Fahrvereinen hört man einen ähnlichen verzweifelten Hilferuf. Junge Teilnehmer bleiben aus, Reiterwettbewerbe leer. Hinzu kommt, dass Sponsoren für Turniere immer schwieriger zu erreichen sind und es massiv an Geldern fehlt um die Ehrenamtlich ausgeführten Turniere überhaupt noch stattfinden zu lassen. Von Arbeitskräften in Vereinen ganz zu schweigen die ja in gewisser Maßen das Herz solcher ländlichen Veranstaltungen sind. Überall sieht man immer nur die gleichen, die versuchen das Turnier im örtlichen Verein am Leben zu erhalten. Doch auch diese werden irgendwann nicht mehr die Kraft und Lust haben, es auf den eigenen Schultern zu tragen.
Viele Turniere hier im Umkreis gibt es längst nicht mehr. Viele Vereine schmücken sich mit Nachwuchsförderung, von der jedoch eigentlich nichts mehr zu sehen ist.
Es ist furchtbar traurig besonders weil wir doch eigentlich alle für so einen wundervollen Sport kämpfen. Ein Sport der nicht nur wegen dem fehlenden Nachwuchs massiv in der Kritik ist.
Wir sind ein kleiner Reit- und Therapiebetrieb im Umkreis von München. Ein kleiner Zeitzeuge, der dem langsamen Tod der Reiterei entgegen blickt.
Zu unserem Team zählen 2 Trainer, sowie Hippotherapeuten und Reitpädagogen.
Unsere Pferde, sind unsere Leidenschaft. Sie sind Familienmitglieder die uns helfen, die Welt ein Stück besser zu machen. Wir sagen immer wir sind kein normaler Schulbetrieb, denn bei uns können die Pferde auch Pferde sein. Sie sind kein Material das wir nutzen um reich zu werden.
Wir arbeiten alle Vollzeit, Hauptberuflich. So verdienen wir das Geld, das wir zum Leben brauchen. Das müssen unsere Pferde nicht tun, die müssen nur das Geld für sich verdienen. Geld für sich – hört sich nett an, ist jedoch wahnsinnig viel. Von diesem Geld müssen wir Rechnungen begleichen die oft die 1000 € sprengen. Unsere Pferde, kommen wie jedes Privatpferd auch in den Genuss von:
• regelmäßige Hufschmiedetermine, Spezialbeschläge wenn nötig
• regelmäßige Zahnarzttermine – auch halbjährlich wenn nötig
• neues und passendes Zubehör wenn nötig – Sattler ist regelm. Vor Ort
• alle nötigen Tierarztbehandlungen inkl. OPs
• Unterbringung in Pferdegerechten Ställen
• Physio- und Osteotermine wenn nötig
Jeder Reiter weiß, was sich hier für Summen auftun können.
Wir denken, es ist sehr wichtig besonders den Kindern zu vermitteln, das Partner Pferd, kein Gebrauchsgegenstand ist, der weggeworfen wird wenn er nicht mehr funktioniert.
Wir wissen, dass unsere Pferde nicht wirtschaftlich sind. Jedoch schaffen es unsere Pferde durch unser Engagement so viel Geld zu erwirtschaften, das sie sich selbst tragen und etwas über bleibt. Obwohl unsere Pferde nur 1 Stunde am Tag Unterricht laufen.
Dadurch können unsere Pferde, alt werden. Sie dürfen alt werden und das bei uns.
Viele unserer Pferde sind schon über den 20, aber Putzmunter und fit. Wenn sie wollen und können, dürfen sie weiter arbeiten. Wenn sie nicht mehr wollen oder können, dürfen sie alt sein und das Leben einfach so leben, wie sie es wollen.
Unsere Kinder und Jugendlichen verbringen sehr viel Zeit bei uns. Oft ganze Wochenenden. Hier helfen Sie mit, Misten, Füttern, versorgen von Wunden, Hufschmiedeterminen usw. All unsere Reitschüler werden nach den klassischen Richtlinien der Reiterei in Dressur und Springen ausgebildet. Wir lernen, feines, Gefühlvolles Reiten das Gesundheitsorientiert ist, für Reiter und Pferd. Die Kinder dürfen bei uns, lernen wie man richtig Longiert, Freispringen lässt, Bodenarbeit macht und natürlich das Ausreiten genießen kann.
Die meisten unserer Kinder dürfen wir begleiten bis sie erwachsen sind und sich eigene Pferde kaufen. Es ist der Nachwuchs, der so dringend nötig ist. Der gesunde Nachwuchs, der den Sport liebt und lebt. Pferdemenschen, nicht nur Reiter.
Wir lieben unsere Arbeit. Es gibt nichts schöneres, zu sehen wie aus kleinen Kindern, große Erwachsene werden die gelernt haben, den Partner Pferd zu verstehen, ganzheitlich zu versorgen und ihm das zu geben was er braucht. Dadurch gewinnen unsere Reitschüler, Freunde. Freunde fürs Leben.
Reiten heilt. Nicht nur bei uns in der Therapie die ebenfalls einen großen Teil unserer Arbeit ausmacht. Hier können wir körperliche Defizite ausgleichen und die körperliche Situation der Klienten verbessern. Wir haben viele MS Patienten, die Dank der Hippotherapie noch nicht im Rollstuhl sitzen. Unsere Pferde haben zudem auch, schon Menschen aus dem Rollstuhl wieder heraus geholfen.
Doch auch im „normalen“ Reitunterricht, heilen unsere Pferde. Sie stärken gebrochenes Selbstbewusstsein. Sie schaffen es, dass Kinder die sich sonst nichts trauen, schon nach kurzer Zeit größer und stärker fühlen und dies auch z. B. in der Schule zeigen können.
Sie machen Helden aus Kindern die glaubten, nichts zu sein.
Sie trocknen Tränen und geben Sicherheit, wenn die Welt von manchen Kindern – weil sich z. B. die Eltern scheiden lassen – zusammenbricht.
Es ist der zuverlässige Partner, der immer da ist und aufpasst.
Doch nicht nur das Pferd. Wir achten darauf, stabile Gruppen zu haben wo die Kinder lernen zusammen zu halten und sich gegenseitig zu helfen. Nichts ist, wenn die Welt zusammenbricht, tröstlicher als ein bekanntes Pferdegesicht und viele Freunde die einen zum Lachen bringen.
Ich glaube, unsere Arbeit als Trainer ist mehr als nur das Reiten zu vermitteln.
Wir vermitteln das Pferd mit all seinen schönen und schlechten Seiten. Wir lehren Geduld, Feinsinn, Verständnis, Konsequenz, innerliche Größe und noch viel mehr Geduld als wir dachten, wir hätten schon genug.
Wir sind nicht nur Reitlehrer, wir sind Vorbilder. Helden in den Augen der Kinder. Wir sind dafür verantwortlich verantwortungsbewusste Pferdebesitzer zu schaffen, die diesen Sport der aktuell so unter Beschuss steht und leidet, wieder ins positive Licht zu rücken.
Doch uns fehlt die Plattform.
Wer möchte heutzutage noch einen Schulbetrieb am Reitstall? Keiner.
Lästig ist es, wenn wir die Halle belegen. Lästig sind die Kinder, die kichernd auf der Stallgasse stehen. Obwohl unsere Kinder nicht laufen, schreien oder sich zanken wenn sie beim Pferd sind. Trotzdem sind sie nicht gern gesehen, gehen im weg um und stören.
Der große Dressurreiter musst hart üben für die A Dressur am Wochenende. Auf einem Turnier, das grade noch so überlebt hat. Weil der Nachwuchs ausgeht.
Weil die Schulbetriebe nirgends mehr sein dürfen.
Es gibt keinen Raum mehr für uns und besonders im Umland von Städten wie München, sind große Anlagen nicht finanzierbar. Oder haben Sie schon einmal jemand gesehen der durch einen Schulbetrieb Millionen verdient hat?
Einen Schulbetrieb, der nicht mit Pferden handelt, der nicht seine Pferde laufen lässt obwohl sie krank sind und Pause brauchen. Ein Schulbetrieb, der seinen Pferden passende Sättel zur Verfügung stellt, der sie wahrnimmt als Lebewesen und wichtigsten Mitarbeiter.
Schulbetriebe sind verschrien. Wir haben einen schlechten Ruf. Zu Unrecht. Denn es gibt uns, die, die sich kümmern. Um ihre Pferde.
Doch wo sollen wir hin? Wo sollen wir bleiben? Wo sollen wir den Nachwuchs fördern und ausbilden? Die vielen Reitanlagen setzten auf Privatpferde und wollen sich den „Ärger Schulbetrieb“ nicht ans Bein binden.
Wir sind ständig auf der Flucht. Von einem Stall in den nächsten. Die Bedingungen sind schlecht für uns, oft werden wir übergangen obwohl es doch wir sind die mit einem Schlag einen ganzen Stall voll machen können und keiner versteht, dass wir mit z. B. 15 Pferden sogar Reithallen entlasten können.
Also Liebe Reiterliche Vereinigung, wo sollen wir hin? Wo soll unser Zuhause sein?
Wir würden so gerne, den Nachwuchs hervor bringen den du so dringen brauchst.
Doch leider, haben wir kein Zuhause. Schulbetriebe bekommen keine Plattform in Deutschen Reitställen und auch wir, werden es bald nicht mehr schaffen und sterben, wie so viele Betriebe und Vereine gestorben sind. Weil der Schulbetrieb, keinen Platz gefunden hat, hier in Deutschland.
Also, wenn du möchtest dass irgendjemand noch zum PM Schulpferdecup kommt, dann musst du dir überlegen, wo wir in Deutschland in Zukunft unsere Arbeit machen können.
Denn ohne Anlagen, die uns Wertschätzen und verstehen, dass wir der Nachwuchs sind der später einmal Sponsoren bringt für ihre Turniere, Einsteller für ihre Ställe und Reiter ihrer Vereine, werden wir sterben.
Und somit der Sport
Mit vielen herzlichen Grüßen
Eine Reitschule aus der Nähe von München, kurz vor dem letzten Atemzug.

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Quelle: pferd.de