Ich komme aus keiner Reiterfamilie und habe viele Freunde, die mit Reiten so gar nix am Hut haben. Zum Teil haben die auch mit Tierhaltung an sich nichts am Hut – entweder, weil sie Tieren nichts abgewinnen können, oder radikaler, WEIL sie Tiere so schätzen. Und mit allem, was man mittlerweile über Tierverhalten etc weiß, frage ich mich manchmal, wie man es Leuten außerhalb der Pferdebubble, aber mittlerweile ja sogar immer mehr auch innerhalb, erklären könnte …
– dass Pferde in der Zucht künstlich befruchtet werden, teils Leihmütter sind, Deckhengste aufs Phantom springen etc (ich spreche jetzt aus der WB- und Pony-Ecke)
– Fohlenschauen und -präsentationen um die Nachzucht zu beurteilen oder Fohlen frühzeitig zu verkaufen
– dass man Pferde in kleine Anhänger lädt, um mit ihnen auf Turniere zu fahren
– ganz zu schweigen von allen Auswüchsen, die der Turniersport bis hin zum Spitzensport so mit sich bringt (Unfälle in der VS, abenteuerliche Gebisskonstruktionen und panische Pferdegesichter, zugeschnürte Mäuler in der Dressur etc. pp.)
– dass es sogar innerhalb der Bubble, quasi täglich in Pensionsställen, es vielleicht sogar mehr als weniger Pferdebesitzer gibt, wo man selber sagen würde: die reitet nicht gut, der Sattel passt nicht, die Muskulatur des Pferdes sieht schlecht aus, die Hufe müssen dringend wieder gemacht werden – sprich alle Auswüchse, die es im reinen Freizeitbereich gibt und die auch nicht schön sind
Was ich hingegen noch plausibel erklären kann, ist: Warum es prinzipiell überhaupt ok ist, Pferde zu reiten, warum man Hilfsmittel wie Gerte und Sporen benutzt, warum man Pferde wie hält (auch hier natürlich in Abstufungen, wenn es da um Dinge wie 23 Std Box, oder auch nur eine Führanlage als Bewegungsergänzung geht, wird es schon wieder schwierig).
Nun, bis dato heißt es ja immer so schön: Brauchste nicht erklären, verstehen die sowieso nicht, diese Unwissenden. Aber ich frage mich: Wird das auf ewig so zu machen sein? Oder wird man sich früher oder später erklären müssen?
Für viele Pferdemenschen ist das alles natürlich das Normalste der Welt, und Menschen, die Pferdehaltung, -zucht und -sport verurteilen, sind extrem (wie zB PETA). Aber irgendwie steht da mMn doch immer noch meist das Argument dahinter, das eigentlich keins ist, nämlich „haben wir schon immer so gemacht“, „Tradition“, „Kulturgut Pferd“, „wenn niemand züchten würde hätten wir keine Pferde“, etc.
Ich würde gerne out of the box die Problematik betrachten und mich mal in Leute reinversetzen, die mit Pferden nichts zu tun haben. Mein Freund ist bspw. Veganer aus ethischen Gründen. Er liebt Tiere. Er sagt, er kann das mit dem Reiten schon nachvollziehen und hat da nichts gegen in der Freizeit. Aber diese Fohlenschauen, Turniere mit Stürzen wie Badminton etc. kann er wenig verstehen. Was ich damit sagen will: Es gibt Leute, wo man denken würde, die sind extrem, mit denen braucht man gar nicht ins Gespräch gehen. Aber denen kann man Pferdesport in einem gewissen Maß schon verständlich machen.
Im Kern geht es mir um drei Fragen:
1. Werden wir in Zukunft uns mehr erklären müssen, um die Social License des Reitsports zu bewahren?
2. Wie können solche Erklärungen dann aussehen?
3. Wenn wir einen Teil gut begründen können, was passiert dann mit dem Part, den wir nicht gut begründen können? Ist vielleicht ein deutlicheres Umdenken aller Pferdemenschen hier erforderlich (Beispiel: keine Fohlenschauen mehr, Decken nur im Natursprung, keine Turniere mehr).
PS: Natürlich sind wir letztlich alle Egoisten und es heißt „Leben und leben lassen“. Aber die Diskussion ist derzeit so aufgeheizt, und das ja eben schon innerhalb der Pferdebubble, dass ich mich schon frage, wie konstruktive Lösungen aussehen können, die die Wogen rund um den Pferdesport glätten können.
PPS: Die gängigen Argumente für Turniere reiten oder künstliche Besamung etc. pp. sind mir bekannt. Mir geht es hier bewusst um das Denken out of the box oder Gründe, warum ein Denken out of the box beim Thema Pferdesport nicht nötig ist und auch nicht sein wird.
Quelle: pferd.de